Amanda Dennis – raus aus der Komfortzone für Gold

Quelle: julie larame photo cinema llc

Amanda Dennis – US-Nationalspielerin und Bundesligaspielerin der SSG Quelle: julie larame photo cinema llc

Nach dem wir vor dem Beginn der Paralympics in Tokio bereits mit unserer Nr. 1 Michael Dennis gesprochen haben, möchten wir nun einmal den Blick auf die Paralympics bei den Damen richten. So gewann unsere Nr. 4 Amanda Dennis in Rio de Janeiro 2016 die Bronzemedaille und nun wird sie am 24. August ihre dritten Paralympics bestreiten. Vorab konnten wir mit der US-Nationalspielerin über die Zielsetzung des „USA womans goalball Team“, über ihre neue Heimat und vieles weitere sprechen:

SSG: Hallo Amanda! Danke, dass Du dir Zeit für dieses Interview genommen hast.

Zunächst einmal möchten wir gerne wissen, wie Du Goalball für Dich entdeckt hast?

Amanda: In den USA gibt es verschiedene Camps für Kinder, bei denen man verschiedene Sportarten ausprobieren kann. Als ich sieben Jahre alt war habe ich mein erstes Camp besucht und alle paralympischen Sportarten für Sehbehinderte kennengelernt. Dort habe ich auch Goalball entdeckt. Es hat mir sofort gefallen. Alle auf dem Feld waren gleich. Es war egal, wie viel man sieht, da alle auf dem Feld eine Dunkelbrille tragen. Zudem haben wir dort Paralympics-Athleten getroffen und von ihrem Weg in den Para-Sport erfahren. Eine meiner heutigen Mitspielerinnen war eine der damaligen Athleten, die dann für mich auch ein Vorbild geworden ist.

SSG: Wie ist Dir dein Aufstieg bis in die Weltspitze gelungen? Was waren prägende Momente und wer hat Dich auf deinem Weg am meisten unterstützt?

Amanda: Die US-Frauen sind eine der erfolgreichsten Goalball-Teams in der paralympischen Geschichte. Das heißt auf der anderen Seite, dass wir über all die Jahre gute Trainer hatten und dass ich von diesen, als auch von vielen Spielerinnen in den USA lernen konnte. Dazu haben wir in Fort Wayne ein sehr gut ausgestattetes Trainingszentrum – speziell für Goalball – bei dem alles, angefangen vom Athletiktraining, bis zur Ernährungsberatung, auf den Sport abgestimmt ist.

Auf diesem Weg hat mich meine Familie am meisten unterstützt. Insbesondere meine Eltern, die mich zweimal wöchentlich eine Stunde zum Training gefahren haben, einen Verein gegründet haben um mir die Chance zu geben, an nationalen Turnieren teilzunehmen und mich so auch schon in jungen Jahren den Nationaltrainern zu präsentieren.

SSG: Jetzt folgen deine dritten Paralympics. Wann hat eure Vorbereitung als Mannschaft begonnen und welche Platzierung erhofft ihr euch in Tokio?

Amanda: Eigentlich hat unsere Vorbereitung schon nach den Paralympics in Rio begonnen. Wir hatten einen Umbruch im Team, da sowohl Spielerinnen als auch Trainer aufgehört haben. Seitdem haben wir uns ein wenig „neu erfunden“, weil wir neue Spielerinnen integrieren mussten und gemeinsam mit den Trainern ein neues System gelernt haben. Wir haben mehr oder weniger wieder von vorne begonnen und haben nun fünf Jahre hart gearbeitet und das zusätzliche Jahr hat einigen von uns individuell, aber auch uns als Team in Gänze nochmal sehr geholfen. Wir wollen um Gold in Tokio mitspielen, das ist unser Ziel.

SSG: Das ist eine wirklich lange Vorbereitung. Musstest Du selbst bestimmte Abstriche in Deinem Leben machen (Stichwort Studienwahl oder Familienbesuche)?

Amanda: In den letzten Jahren habe ich viel darauf verzichtet meine Familie zu sehen. Ich musste aus meiner Komfortzone herauskommen und habe auch auf die berufliche Karriere verzichtet, da ich in Fort Wayne war. Man muss schon auf viel verzichten, wenn man eine Goldmedaille gewinnen möchte. Man muss immer auf vielen Ebenen Kompromisse eingehen, um das alles miteinander vereinbaren zu können und das trifft dann manche Bereiche mehr als andere.

SSG: Mitten in Deiner Vorbereitung hat sich für Dich persönlich auch etwas geändert: Du hast Michael geheiratet. Wie ist der Kontakt zustande gekommen?

Amanda: Wir kennen uns flüchtig schon seit der Jugend-WM 2011 in Colorado (USA). Der Kontakt über all die Jahre ist nie völlig abgebrochen, war aber immer eher sporadisch. Gegenseitig fällt man auch immer wieder auf, da einem die besten Spieler und größten Talente immer positiv in Erinnerung bleiben. Rund um die WM 2018 ist der Kontakt dann intensiver geworden und wir haben uns immer besser kennengelernt und dabei gemerkt, dass das zwischen uns beiden sehr gut passt. Im Februar 2020 hat Michael mir dann in den USA einen Heiratsantrag gemacht, den ich natürlich angenommen habe.

SSG: Seit eurer Heirat lautet für Dich Deine neue Heimat Berlin. Wie lebt es sich in Deutschland? Was ist anders im Vergleich zu den USA?

Amanda: Grundsätzlich gefällt es mir gut in Deutschland. Aber ich kann auch nicht so viel darüber sagen, weil ich während des Lockdowns nach Deutschland gekommen bin. Es steht noch einiges aus, was ich entdecken möchte. Grundsätzlich verschieden ist, dass ich in Atlanta geboren bin, wo immer die Sonne scheint, da ist das regnerische deutsche Wetter schon eine Umstellung. Natürlich merkt man auch Kleinigkeiten im Alltag, die einfach anders sind wie z. B. beim Einkaufen, dass die Packungsgrößen zum Teil hier völlig anders sind. Aber das sind Dinge, an die man sich auch gewöhnt.

Sportlich gesehen sind die Goalball-Turniere in Deutschland auch anders organisiert, mir persönlich hat das System aber auch gut gefallen.

SSG: Ist es in der Vorbereitung auf die Paralympics kein Problem gewesen, dass du nicht immer in Fort Wayne mit den US-Girls trainieren konntest?

Amanda: Nein, grundsätzlich nicht. Mein Team und alle Trainer waren sehr hilfreich die ganze Zeit auch aus der Distanz. Durch Trainingspläne und moderne Kommunikationswege hatte ich aber immer den vollen Support von allen aus den USA. Aber auch in Deutschland wurde mir gut geholfen. Es war auch für mich manchmal spannend zurück nach Fort Wayne zu gehen und zu sehen, welche Fortschritte ich in Deutschland gemacht habe. Wenn man jeden Tag gemeinsam trainiert, fällt das häufig mal nicht auf. Aber ich bin dankbar dafür, dass ich großartigen Support in Deutschland und den USA hatte in der gesamten Vorbereitungszeit.

SSG: 2028 finden die Paralympics in Los Angeles statt. Würdest du gerne bei dem Heimspiel dabei sein oder wird bis dahin möglicherweise die die Familienplanung im Vordergrund stehen?

Amanda: Ich würde schon gerne bis dahin auch ein Augenmerk auf die Familie legen. Wir wollen gemeinsam Nachwuchs haben, aber ich möchte auf jeden Fall in LA 2028 noch einmal dabei sein. Wir werden gemeinsam sehen, ob es in den Jahren dazwischen vielleicht auch mit der Familie klappt. Das positive ist, dass wir uns nicht qualifizieren müssen und ein „Ausfall“ aufgrund einer Schwangerschaft daher besser zu verkraften wäre.

SSG: Abschließend würde die jüngeren Spieler, vor allem die Mädchen interessieren, welche Tipps du ihnen an die Hand geben kannst für ihre eigene Laufbahn?

Amanda: Grundsätzlich ist es wichtig, dass man immer Fragen stellt. Nur wer Dinge erfragt kann auch Dinge dazu lernen. Wer aufhört Dinge zu hinterfragen, kann sich auch nicht weiter verbessern und wird nie erfolgreich werden. Dazu kommt, dass man viel Erfahrung braucht, viel spielen ist also auch ein ganz wichtiger Faktor.

SSG: Vielen Dank für Deine Zeit, Dein erstes deutsches Interview und die tollen Antworten. Wir drücken euch ganz fest die Daumen und hoffen, dass ihr Schritt für Schritt an euer Ziel kommt!