Amanda Dennis – angstlos zur Silbermedaille in Tokio

Amanda Dennis

Amanda Dennis mit der Silbermedaille Quelle: Team USA Goalball

Vom 24. August bis zum 05. September fanden in Tokio die Paralympics statt. Mit dabei war auch unsere Nr. 4 Amanda Dennis. Zusammen mit dem „USA womans goalball Team“ gewann sie die Silbermedaille. Nach ihrem großartigen Erfolg konnten wir mit der 27-jährigen über das Turnier, über die Bedingungen vor Ort und einiges weitere sprechen:

SSG: Amanda, zuerst einmal möchten wir als SSG Dir zu dem Gewinn deiner Silbermedaille in Tokio gratulieren! Es ist, nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Rio 2016, Deine zweite Medaille bei den Paralympics. Wie unterschieden sich diese Paralympics aufgrund der Corona-Pandemie von den beiden davor? Wie hat sich der Kontakt zu Athleten anderer Nationen gestaltet?

Amanda: Im Dorf war eigentlich alles, wie bei den anderen Paralympics. Natürlich gab es einige Auflagen wie die täglichen Tests oder das dauerhafte Tragen einer Maske im gesamten Dorf, aber die Atmosphäre war großartig und wer wollte, ist auch leicht in Austausch mit anderen Nationen gekommen, was sich dann zumeist aber im freien abgespielt hat.
In der Halle war es natürlich anders, da keine Zuschauer vor Ort waren, es war schon komisch in eine so große Halle einzulaufen, in der normalerweise über 5000 Zuschauer Platz gefunden hätten und nur ganz wenige Leute klatschten.

SSG: Wie sind für euch die Trainingseinheiten vor Ort verlaufen und wie hast du dich mental auf die Spiele vorbereitet?

Amanda: Die Trainingseinheiten sind für uns gut gelaufen. Wir haben uns gezielt auf unsere Gegner vorbereitet und das war schon anders im Verhältnis zu den vergangenen paralympischen Turnieren. Die mentale Vorbereitung ging nicht erst in Tokyo los. Das hat viele Monate zuvor in der Heimat begonnen. Wir sollten uns als Spielerinnen ein Wort überlegen, welches für uns ein wenig das Motto sein soll. Für mich war es „angstlos“ und das hat für mich auch gut funktioniert.

SSG: Gleich im ersten Spiel kam es zur Neuauflage des Bronze-Spiels von 2016 gegen Brasilien. Mit welchen Erwartungen seid ihr in das Spiel gegangen und haben die Luftfeuchtigkeit, sowie die Halle euch beeinflusst?

Amanda: Grundsätzlich sind wir mit einer Einstellung in die Spiele gegangen, dass wir uns auf unsere Stärken fokussieren wollen. Wir kennen Brasilien gut und wussten, was uns erwartet. Natürlich waren auch ein paar Fragezeichen dabei, weil Brasilien seit über 1,5 Jahren kein Turnier gespielt hatte. Wir wollten aber auch von Brasiliens Fehlern durch Penaltys profitieren. Für mich persönlich hatte die Luftfeuchtigkeit keinen Einfluss auf das Spiel, da ich aus Atlanta diese Bedingungen gewohnt bin.

SSG: Nach einem relativ deutlichem 10:0 gegen Ägypten im zweiten Spiel habt ihr im dritten Gruppenspiel gegen den späteren Bronzemedaillengewinner Japan 2:3 verloren. Wie verlief das Spiel aus deiner Sicht? Hatte Japan deiner Meinung nach einen „Heimvorteil“ und was habt ihr für euch aus der knappen Niederlage mitgenommen?

Amanda: Erstmal muss ich sagen, dass der Heimvorteil nicht wirklich vorhanden war, da dieser eigentlich immer durch die Zuschauer in der Halle entsteht und die waren einfach nicht da.
Das Spiel selbst haben wir wegen eines Penaltys verloren. Japan ist ein sehr starkes Defense-Team und man darf sich da keine Fehler erlauben, da man gegen sie selbst kaum Tore macht. Alles in allem wussten wir, dass wir das Spiel durch eigene Fehler verloren hatten und haben für den weiteren Wettkampf auf die positiven Dinge geschaut, dass wir in der Offensive gute Würfe hatten und der Schlüssel zum Erfolg bei uns liegt.

SSG: Nach einem umkämpften 4:3 Sieg gegen die Türkei konntet ihr schließlich souverän ins Viertelfinale einziehen. Für deinen Ehemann Michael war hingegen schon nach der Gruppenphase Schluss. Wie viel Kontakt hattet ihr während des Turniers und konntet ihr euch gegenseitig unterstützen? Hat sein Ausscheiden dich persönlich in irgendeiner Art und Weise beeinflusst?

Amanda: Ja, wir hatten die Gelegenheit, dass wir uns sehen konnten im Dorf und wir haben auch einige Zeit miteinander verbracht. Deswegen war es schon ein Schock für mich, als ich gehört habe, dass Michael verloren hatte gegen China. Wir waren zu dem Zeitpunkt beim Aufwärmen für unser Spiel gegen die Türkei und haben als Team darüber gesprochen. Michael hat uns viel geholfen in der Vorbereitung auf Tokyo und unser Trainer Jake hat gesagt, dass wir das Spiel gegen die Türkei auch für Michael gewinnen werden.

SSG: Im Viertelfinale stand euch mit dem aktuellen Weltmeister RPC ein Medaillenkonkurrent gegenüber. Zwar habt ihr zur Halbzeit noch 2:3 zurück gelegen, dann jedoch dank einer konzentrierten Mannschaftsleistung mit 5:3 den Einzug in das Halbfinale klar gemacht. Was war der Schlüssel zum Erfolg?

Amanda: Wir haben mehrfach in dem Turnier gezeigt, dass wir uns immer zurück kämpfen können, wenn wir hinten liegen. Wir hatten gegen den Weltmeister nichts zu verlieren und haben so auch gespielt. Für uns war ein Schlüssel auch, dass wir immer wieder die beste Werferin der Russinnen in der Defensive beschäftigt haben und dadurch auch viele Penaltys bekommen haben, die wir genutzt haben. Das wichtigste war es aber, dass wir in der Abwehr bei jeder Aufstellung unfassbar stabil waren und um jeden Ball gekämpft hatten.

SSG: Mit Brasilien wartete im Halbfinale ein alter Bekannter auf euch. Für die Zuschauer vor den Bildschirmen entwickelte sich eines der spannendsten Goalballspiele überhaupt: Ein Comeback in den letzten Sekunden, gefolgt von einer Verlängerung mit Pfostentreffern und schließlich einem Penaltywerfen. Nimm uns einmal durch das Spiel aus deiner Sicht; welche Emotionen und Gedanken gingen dir während des Spiels bis zum Abpfiff und dem Sieg durch den Kopf?

Amanda: Ich hatte zu dem Zeitpunkt durch eine Verletzung schon starke Schmerzen. Aber wir wollten auf gar keinen Fall verlieren, ich wollte auf gar keinen Fall wieder um Bronze spielen. Wir haben immer einen Spielplan gehabt aber wir haben die Punkte nicht getroffen. Nach unserem letzten Tor zum 2:2 Ausgleich 15 Sekunden vor dem Ende war der mentale Vorteil natürlich bei uns. In der Verlängerung haben wir den Fokus auf der Abwehr gehabt und dazu kamen noch ein paar knappe Aktionen in der Offensive. Leider wollte der Ball nicht rein. Für ein Penaltywerfen waren wir gut vorbereitet, weil unser Trainer das mit uns im Training oft geübt hat. Und was das Vertrauen innerhalb der Mannschaft zeigt ist, dass die Trainer uns als Spielerinnen die Wahl überlassen haben, in welcher Reihenfolge wir antreten wollen. Das war auch hilfreich, weil jede sich wohl gefühlt hat. Für mich war es großartig, dass ich meinen Penalty blocken konnte und wir alle haben beim letzten Wurf der Brasilianerinnen Mindy vertraut, weil wir wussten, dass sie eine sehr starke Verteidigerin ist und dann war nach der Aktion natürlich auch klar, dass wir eine Medaille auf jeden Fall mit nach Hause nehmen werden. Da waren viele Emotionen in mir gleichzeitig.

SSG: Im Finale wartete die Türkei auf euch. Gleich zu Beginn des Spiels wurden wir überrascht: Denn du warst nur auf der Auswechselbank zu finden – was war los?

Amanda: Ich habe mich schon recht früh im Turnier an der Muskulatur im Oberarm verletzt. Ich habe schon gegen Brasilien starke Schmerzen gehabt und mein Arm ist extrem angeschwollen. Die Entscheidung nicht zu spielen war eine im Sinne meiner Gesundheit, da auch meine Blutwerte sehr schlecht waren zu dem Zeitpunkt und die hohe Belastung für mich ein extremes, gesundheitliches Risiko bedeutet hätte. Die Entscheidung ist gemeinsam mit den Ärzten und Trainern gefallen, dass das Risiko für einen dauerhaften gesundheitlichen Schaden zu hoch ist und ich deswegen nicht zum Einsatz gekommen bin. Und eins kann ich sagen: es ist das schrecklichste Gefühl in einem solchen Spiel nur auf der Bank sitzen zu können, obwohl man unbedingt spielen möchte.

Mannschaftsbild Team USA

Mannschaftsbild Team USA Goalball
Quelle: Team USA Goalball

SSG: Deine Teamkolleginnen haben viel versucht, jedoch musstet ihr euch am Ende 2:9 geschlagen geben. Wie bewerten deine Teamkollegen und du die Silbermedaille?

Amanda: Wir wissen, dass wir um Gold wirklich hätten mitspielen können, wenn alle fit gewesen wären. Wir hatten aber den härtesten Weg ins Finale und deswegen haben wir nicht Gold verloren sondern Silber gewonnen. Wir haben gezeigt, dass wir das kompletteste Team des Turniers sind. Wir haben auf dem Weg zu dieser Medaille die Türkinnen und RPC geschlagen und wir freuen uns schon auf ein Rematch gegen die Türkei, wenn wir alle fit sind. Wir sind im Vergleich zu Rio einen Schritt weiter gekommen. Wir als ein Team haben diese Medaille gewonnen und sind alle sehr stolz darauf.

SSG: 2016 hast du Bronze geholt nun Silber, kommt also 2024 in Paris die Goldmedaille dazu?

Amanda: Ja und dann in LA werden wir den Titel verteidigen.

SSG: Herzlichen Dank für das Interview, die Einblicke und gute Besserung!